Pacta sunt servanda – oder doch nicht?

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Im deutschen Recht gilt der Grundsatz der Vertragstreue, was bedeutet, dass Verträge einzuhalten sind (pacta sunt servanda), auch wenn die Vereinbarung sich im Nachhinein als Fehlentscheidung entpuppt oder ein besseres Angebot realisierbar wäre. Von diesem Grundsatz gibt es aber eine Reihe von Ausnahmen, bestimmte Rechtsgeschäft können zum Beispiel gar nicht wirksam abgeschlossen, andere können angefochten werden.

Wann ist ein Rechtsgeschäft nichtig?

Ist ein Rechtsgeschäft nichtig, werden die Vertragsparteien so gestellt, als wäre der Vertrag nie geschlossen worden. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kennt sechs Paragrafen, die sich mit der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften beschäftigen. § 105 BGB erklärt zum Beispiel Rechtsgeschäfte mit geschäftsunfähigen Personen für nichtig. Zu diesem Personenkreis zählen Kinder unter sieben Jahren und unmündige Erwachsene.

Wer also einer sechsjährigen Erstklässlerin eine mit Süßigkeiten prall gefüllte Schultüte verkauft, hat keinen wirksamen Vertrag geschlossen und kann nicht auf der Zahlung des Kaufpreises bestehen. Anders sieht es dagegen aus, wenn die Sechsjährige im Auftrag ihrer Eltern Brötchen beim Bäcker holt. Dann ist das Kind lediglich Bote und der Kaufvertrag über die Brötchen kommt zwischen dem Bäcker und den Eltern des Kindes zustande.

Die gleiche Normvorschrift erklärt auch Willenserklärungen, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben werden, für unwirksam. Im Vollrausch können Sie also keinen wirksamen Vertrag abschließen. Von großer praktischer Bedeutung ist außerdem die sogenannte schwebende Unwirksamkeit. Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 17 Jahren brauchen für den Abschluss eines Vertrage die vorherige Einwilligung der Eltern.

Liegt diese nicht vor, ist der Vertrag schwebend unwirksam, kann aber durch die nachträgliche Genehmigung der Eltern wirksam werden. Wird die Genehmigung verweigert, ist der Vertrag nichtig. Falls Ihr minderjähriges Kind online in eine Abo-Falle gestolpert ist, können Sie also in aller Regel ganz entspannt bleiben. Wenn Sie die Zustimmung zum Vertrag verweigern, ist dieser nichtig, die andere Vertragspartei kann keine Ansprüche gegen Sie oder Ihr Kind durchsetzen.

Wann kann ein Rechtsgeschäft angefochten werden?

Was passiert eigentlich, wenn Sie Ihr Auto verkaufen und nach Vertragsabschluss feststellen, dass Sie sich vertippt und den Kaufpreis statt auf 43.000 Euro, nur auf 34.000 Euro beziffert haben? Keine Angst, in so einem Fall müssen Sie die Differenz von 9.000 Euro nicht einfach abschreiben. Hier liegt ein sogenannter Erklärungsirrtum vor, der Sie gemäß § 119 BGB zur Anfechtung berechtigt. Voraussetzung dafür ist, dass Sie Anfechtung gegenüber Ihrem Vertragspartner unverzüglich, also sobald Sie den Fehler bemerkt haben, erklären.

Für die Anfechtungserklärung gibt es keine gesetzlich geregelten Formvorschriften, sie kann also auch mündlich erfolgen. Dann sollten Sie zu Beweiszwecken aber einen Zeugen haben. Sobald Ihre Anfechtungserklärung dem Käufer zugeht, wird der Kaufvertrag nichtig. Sie müssen Ihr Auto also nicht übereignen. Allerdings können Sie sich in diesem Fall Schadensersatzpflichtig machen. Wenn der Andere auf die Gültigkeit des Vertrages vertrauen durfte, also nicht wissen konnte, dass das Fahrzeug kein Schnäppchen ist, dann müssen Sie ihm den entstandenen Schaden gemäß § 122 BGB ersetzen.

Fliegt der Käufer im unterstellten Fall von Hamburg nach München, um das Auto abzuholen, müssten Sie ihm die gesamten Reisekosten erstatten. Anfechtbar sind Rechtsgeschäfte außerdem, wenn Sie durch falsche Übermittlung, Täuschung oder Drohung zustande kommen oder Sie über eine wesentliche Eigenschaft der Sache im Irrtum sind. Unbeachtlich ist dagegen der sogenannte Motivirrtum. Kaufen Sie zum Beispiel ein Fahrrad in der Annahme, dass dieses faltbar ist, in Wirklichkeit handelt es sich aber gar nicht um ein Klapprad, können Sie den Kaufvertrag anfechten.

Stellen Sie nach dem Kauf des Klapprades fest, das dieses, anders als erwartet, auch gefaltet nicht in Ihr Auto passt, liegt nur ein Motivirrtum vor. In diesem Fall sind Sie also an den Kaufvertrag gebunden.

 

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