Berlin ist die Boomtown des deutschen Immobilienmarktes. Mit einem Umsatz von 4,4 Mrd. € lag die deutsche Hauptstadt 2018 erneut bei den bundesweit verkauften Zinshäusern auf Platz 1. Hamburg und München folgten mit deutlichem Abstand. Die Berliner Preise für Mehrfamilienhäuser haben sich in den vergangenen 10 Jahren weitgehend verdoppelt.
Jährlich etwa 40.000 Neuberlinern stehen auf dem Wohnungsmarkt in den nächsten Jahren weniger als 20.000 neugebaute Wohnungen pro Jahr gegenüber, bis 2030 soll die Berliner Bevölkerung nach Schätzungen des Senats um 7,5 % anwachsen. Weitere Preissteigerungen, Spekulationen und Gentrifizierung sind die Folge.
Alle drängen in die Dienstleistungshauptstadt Berlin
Der Wirtschaftsstandort Berlin gilt als Hochburg für Start-ups besonders im IT- und Mediensektor. Aber auch andere Branchen zieht es in die deutsche Hauptstadt. Als Regierungs- und Verwaltungssitz wächst in Berlin ständig der Bürobedarf, immer mehr Unternehmen und Lobbyisten gründen eine Dependance in Berlin. In der ‚Dienstleistungshauptstadt‘ Berlin arbeitet jeder Dritte an einem Schreibtisch, aber die werden langsam knapp.
Kaum noch bezahlbare Büros in der Innenstadt zu finden
Knapp 22 Millionen Quadratmeter Bürofläche hat Berlin derzeit zu bieten. 2018 erreichte der Nettoflächenumsatz bei Büros einen Wert von 838.000 m2 und gleichzeitig sank der Leerstand bei Berliner Büroflächen auf 1,4 %. Was nach ausreichend Bürofläche klingt, sind tatsächlich überwiegend unattraktive Randlagen, die für die Mehrzahl der Unternehmen nicht in Frage kommen. Im Innenstadtbereich des Berliner S-Bahn-Rings ist der Büromarkt weitgehend leergefegt. Wie im Wohnungssektor werden bei Projektentwicklungen neue Büros bereits frühzeitig vermarktet und bewegen sich überwiegend im gehobenen Ausstattungssegment.
2018 wurde mit knapp 235.800 m2 neuer Bürofläche weniger als die Hälfte des Bedarfs gedeckt. „Trotz großer Nachfrage lassen sich die Banken nur ungern auf spekulative Büroentwicklungen ohne feststehende Nutzer ein,“ erklärt der Berliner Notar Matthias Dols, ein langjähriger Experte für Wohneigentumsrecht, „schließlich weiß niemand, wann der Berliner Immobilienboom kippt.“
Berliner Büromieten steigen schneller als Wohnungsmieten
Die durchschnittliche Büromiete lag 2018 in Ost-Berlin bei 20,50 m2, in Westberlin bei 21,80 m2, wobei es örtlich erhebliche Marktschwankungen gibt. Spitzenbüromieten in Charlottenburg erreichen 35 €/m2, am Brandenburger Tor kratzen sie an der 40-Euro-Marke, während Büros im Wedding, in Steglitz oder Treptow bereits für um die 12 €/m2 zu finden sind. Da Gewerbemieten einer geringeren Regulierung als Wohnraum unterliegen, ist in zentralen Lagen mit deutlichen Steigerungen der Büromieten zu rechnen.
Small is beautiful: der neue Trend zum Minimalismus
Wo kann sich ein Start-up in diesem Umfeld ansiedeln, das keine starke Finanzdecke hinter seiner Idee hat, dass es wegen Synergieeffekten in die Hauptstadt zieht und das deshalb nicht am Stadtrand landen möchte? Eine Antwort ergänzt sich mit der jüngsten Entwicklung von Mikroapartments auf dem Wohnungsmarkt: Coworking Spaces.
Coworking Spaces für Gründer und Start-ups
Diese flexiblen Bürogemeinschaften werden immer zahlreicher im Berliner Zentrum. Oft finden sich die Gründer und Kleinunternehmer themenorientiert zusammen. Sie nutzen eine gemeinsame Infrastruktur, die in unterschiedlichen Ausstattungsvarianten von der jeweiligen Verwaltung angeboten wird. Ob gemeinsam in einem großen Loft, in separaten Büros, mit oder ohne Küche, Konferenzraum, Fitnessraum oder Parkplatz – jeder mietet nur soviel Raum, wie sein Start-up augenblicklich benötigt.
Kreative Synergien für Freelancer und Kleinunternehmer
Das erleichtert die Bürosuche, begrenzt die Kostenrisiken, ist flexibel bei künftigen Veränderungen und kann tatsächlich Synergien durch interessante Kontakte schaffen. Ob das Ahoy! in Berlin-Mitte, die raumstation in Moabit oder das Betahaus in Kreuzberg, ein Schreibtisch in einem Coworking Space in Berlin kostet zwischen 150 und 300 € im Monat, je nach Platz und Komfort gibt es in den Penthäusern und modernen Neubauten kaum eine Obergrenze. Über 11.000 Menschen arbeiten derzeit als Coworker in Berlin, das jährliche Wachstum liegt bei +30 %. Die Produktivität an einem Coworking Space soll durch Networking, Fluktuation, Motivation und eine gute Adresse bis zu 40 % höher sein, als im eigenen Kleinbetrieb.
Berlin: wo Erfolg für Gründer zum Problem wird
So zeitgemäß dieses Konzept aus dem Silicon Valley für Freelancer, kleine Agenturen, Künstler oder Gründer erscheint, für wachsende oder produzierende Unternehmen hat Coworking Grenzen. Wer sich nach größeren Gewerberäumen umsieht, findet bezahlbare Büros oder Läden kaum noch im Innenstadtbereich. Von den knapp 3,7 Millionen Berlinern sind etwa 2 Millionen erwerbstätig und fast alle drängen ins Zentrum. Selbst entlegene Gründerzentren wie Adlershof oder Neubauten rund um den künftigen Flughafen BER sind keine Schnäppchen mehr.
Nur starke Start-ups fassen Fuß, viele ziehen weiter
Für manches Start-up wird so das eigene Wachstum zum Problem. Berlin entwickelt sich zum ‚Durchlauferhitzer‘ für Unternehmen und Ideen, die sich langfristig an günstigeren Orten ansiedeln. Die Strahlkraft und Attraktivität von Berlin beeinträchtigt das nicht, im Gegenteil, die hohe Fluktuation auch von Gründern ist Teil der Innovation, die von der deutschen Hauptstadt ausgeht und weiterhin kreative Köpfe mit ihren Start-ups aus dem In- und Ausland anzieht.